Donnerstag, unser Klimakumpel da oben weiß heut‘ nicht so recht, ob er uns wärmende Sommermomente oder kühle Windspielchen schicken soll. Und so unschlüssig wie der Wetterfrosch tanzen meine Gedanken während der lockeren Radtour zu folgender Frage hin und her: Ist Sport nach einem (effizienten) Trainingsplan lohnenswert oder letzterer eine Spaßbremse und sogar manchmal gefährlich für unsere Leidenschaft?
In meiner Rolle als Teilzeitphilosoph* will ich zur aufgeworfenen Leserfrage von Martin Grüning, Chefredakteur der Runnersworld, meinen Senf dazugeben.
Kunterbunte Gedanken
Wie im „echten“ Leben ist natürlich nicht alles schwarz und weiß, sondern öfters grau oder noch besser: kunterbunt! Klar, selbst wir Hobbysportler trainieren immer häufiger wie die Weltmeister. Oft nach einem ebenso weltmeisterlichen Plan. Wir schwitzen im wahrsten Wortsinn für unsere Ziele und sportlichen Visionen. Gut so! Aber – und damit mache ich ein noch größeres Fass auf, als es die Ausgangsfrage suggeriert – ich frage mich und euch:
Trainieren wir vielleicht immer öfter aus chronischem Zwang nach immer krasseren Leistungslimits und zur Befriedigung des Durstes sozialer Anerkennung? Und wo bleibt der Spaß und die ursprüngliche Passion zum Sporteln, wenn kurzweiliges Glück daran gekoppelt ist, dass geplante Kilometerzeiten bzw. Wattwerte übertroffen und Einheiten brav auf allen erdenklichen Plattformen hochgeladen und damit zur inflationären Likeparade freigegeben wurden?
„Jan Frodeno kann sich keine Junkmiles leisten, ich schon.“
Kurze Randnotiz an mich: Eigentlich sollte so ein Kommentar spätestens nach der Ausgangsthese einem roten Argumentationsfaden folgen. Aber wie Du siehst, verrenne ich mich in Fragen und Gedankenschnipseln. Weil ich selbst nicht besser bin. Ich klage mich mit meinen Fragen gewissermaßen selbst an. Auch ich verspüre den latenten Drang, der Bestzeit beim nächsten Mal weitere 3 Sekunden abzuluchsen. Auch mir imponiert es, wenn meine sportlichen „Erfolge“ geliked, geshared und „gefeiert“ werden.
Von sozialer Anerkennung können wir uns nicht lossagen.
Sie ist ein tiefes Bedürfnis von uns allen. Sicher, soziale Anerkennung ist wichtig. Aber kann es vielleicht sein, dass die digitalen, sozialen Netzwerke dazu beitragen, noch krassere Einheiten abzuspulen, um mit höheren Wattschwellen zu posen und die Wettkampfberichte schrecklich cool aussehen zu lassen? Und überhaupt: Ich lese so viele Wettkampfberichte von Freunden und Social-Media-Followern, wo es nur um Zahlen, Wattwerte und Platzierungen geht. Und ich frage Dich und mich wieder:
Wo bleibt der Spaß, Leute? Kann es noch Glückseligkeit und tiefe Dankbarkeit für den Moment geben, wenn alles nur noch dem Effizienz- bzw. Leistungskriterium untergeordnet wird? Wenn selbst die Auswahl der Hashtags effizient gewählt sein will, damit einen auch ja viele digital wahrnehmen?
Letzterer Gedanke war natürlich wie Erdogans Schmähgedicht von Herrn Böhmermann – nicht ganz ernst gemeint…
Nun gut.
Was bedeutet eigentlich effizientes Training?
Effizient bedeutet, mit wenig Aufwand das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Bei uns Sportlern ist Zeit die Währung, und davon haben die Wenigsten ein 20 Stunden Polster pro Woche. Eher 10 bis 12 oder noch weniger. Nur weil man also in der Mittagspause 30 Minuten für eine knackige Intervalleinheit nutzt oder am Wochenende zwischen Kaffee- und Abendbrottisch eine Radeinheit einschiebt, ist man nicht extrem oder effizienzsüchtig. Das nenne ich Disziplin.
Wenngleich wir dahinter einen Punkt setzen könnten, folgt ein weiteres Aber…
Denn ich frage mich, wohin das alles führt, wenn man trotzdem ab und an einfach nur so „vor sich her sportelt“, dass dann jedoch zynisch als „junkmiles“ abgetan wird. Überall geht es gefühlt nur noch um Effizienz. Ja, ein Herr Frodeno kann sich keine Junk-Meilen leisten. D‘accord! Nur wir Freizeitsportler sind halt keine Profis. Wenn Du am Wochenende mit einem guten Kumpel easypeacy auf dem Rad cruist, quasi eine Junk-meile nach der anderen auf den Garmin einprasselt, ist das doch völlig okay, oder nicht? Oder wenn Du aus purem Bock bei einem 24h Event teilnehmen willst, und das so gar nicht in den effizienten Trainingsplan passen will – lässt Du es dann sausen?
Wenn ja: Ist Dir klar, dass Du Dich dem Wichtigsten ein Stück weit beraubst (?): Deiner Leidenschaft.
Jetzt mal Butter bei die Fische
Okay, versuchen wir die Fragen, Vorwürfe und puzzlehaften Gedankenschnipsel zu einem halbwegs konstruktiven Meinungsbild zu formen:
Effizient, nach einem individuellen Plan, zu trainieren, ist zielführend und lohnenswert. Dann, wenn Du das Ziel auch wirklich willst. Deine innere Passion aus dir spricht. Und Du die soziale Anerkennung und Likes auf Facebook & Co. als Sahnebonbon on top einzuordnen weißt. Versteh‘ mich mit diesen Zeilen nicht falsch: Ich liebe es effizient zu trainieren und ich liebe es meine Grenzen auszuloten, oder über diese halt auch manchmal mit Pauken und Trompeten hinaus zu galoppieren. okay, eigentlich liebe ich letzteres nicht (Verletzungspotenial), aber lassen wir das mal so stehen. Und schmeißen abschließend das Schlagwort Selbstreflexion ins Gedankenspiel. Denn gedanklich geht es öfter mal mit mir durch. Dann hinterfrage ich Lebenssituationen, die man fast immer für usus nimmt. Ich find’s ganz okay, darüber zu reflektieren. Die eigenen Denkmuster ins Wanken zu bringen und dann wieder neu auszurichten.
Wenn dieser völlig ausufernde Kommentar nur einen einzigen Sinn stiften solle, dann sei es der, dass Du versuchst, Dir folgende 3 Fragen ehrlich zu beantworten:
- Was ist „Dein-Warum“, sprich Dein innerer Drive, zu trainieren?
- Folgst Du Deinen Zielen, weil sie Dich im Innersten berühren oder weil es andere beeindrucken könnte?
- Wo fängt für Dich effizientes Training an, wo hört es auf und wann geht es zu weit?
* selbst titulierend, pseudohaft und ironisch angehaucht, versteht sich 😀
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